Bitch, please! Darf man zu einer Frau Bitch sagen?

 

Als ich mir diese Frage stellte, war ich geneigt, den Sack direkt wieder zuzumachen. Denn meine spontane und zugegeben sehr intuitive Antwort lautete: Klaro, warum nicht?

Allerdings wäre dieser Beitrag dann ziemlich kurz und inhaltlich recht unausgewogen. Also vielleicht doch lieber eine Ehrenrunde zugunsten der journalistisch korrekten Herangehensweise.

Das Wort „Bitch“ hört und liest man heute häufig bis inflationär. Es dient als Beschimpfung, Kosename unter Freundinnen, abfällig genuschelte Degradierung oder auch als Ausdruck der bewundernden Ungläubigkeit, wenn etwas ganz und gar unfassbar ist. „Biiiiiitch, das hast du echt geschafft?!“

Zugegeben, so mancher Babyboomer wird sich jetzt am Kopf kratzen und fragen, ob er irgendetwas verpasst hat. Und so sollte man an dieser Stelle vielleicht eingrenzen, dass diese spezielle Form der Ansprache sicherlich nicht für alle Generationen ein Alltagsphänomen ist. Zumindest gehört „What up, Bitch?“ noch nicht zu den Standarderöffnungen meiner Mutter, wenn sie ihre Freundinnen anruft. Ich erinnere mich noch, wie schwer es damals war, ihr beizubringen, dass das Wort „geil“ ein regelkonformes Adjektiv für eine ganz und gar fantastische Tatsache sein soll.

Wenn ich ihr jetzt also eröffnen würde, dass „Bitch“ zum Standardjargon für Frauen zwischen 20 und 40 gehört, würde sie vermutlich darüber nachdenken, mich zu enterben.

Aber es ist nun mal Fakt.

Um nicht zu sagen: Hätte ich in den letzten Monaten 10 Cent eingesammelt für jedes Mal, dass ich jemanden Bitch sagen hörte, könnte ich den Rest dieser trostlosen pandemischen Tage wohl cocktailschlürfend auf einer einsamen Insel in der Karibik verbringen. Aber das ist eine andere Geschichte.


Die Frage ist, ob das Wort Bitch zulässig ist. Und wenn ja, wer es sagen darf und unter welchen Umständen?

Zugegeben: Wir Frauen haben uns an das Wort längst gewöhnt. Ganz einfach, weil es so häufig und in allen Lebenslagen verwendet wird. Es hat sich zuerst eingedeutscht, dann viele Gestalten angenommen und sich damit zuletzt in der Wirkungsweise irgendwie abgeflacht.

Und noch viel mehr. Wenn eine Freundin zur anderen Bitch sagt, dann ist das in der Regel durchaus sehr positiv gemeint.

___STEADY_PAYWALL___ 

Und so muss man sich inzwischen schon fast daran erinnern, dass das Wort in der Grundidee nicht nur eine räudige „Hündin“ skizziert hat, sondern dass in Wirklichkeit „Schlampe“ gemeint war.

GUK_POSTs_Maerz2119.jpeg

Der Begriff war also vor gar nicht allzu langer Zeit wirklich negativ konnotiert, heute sehen wir die Verwendung zunehmend entspannter. Zurecht?

Nun …

Eine geliebte Freundin von mir erzählte neulich in einer Runde unter Kollegen, dass wir uns gerne mal gegenseitig als Bitches titulieren. Daraufhin reagierte eine Anwesende mit den Worten: „Wenn ihr das je zu mir sagen würdet, hättet ihr meine Faust im Gesicht.“

Oha.

Man(n) - und auch Frau - sollte also gut abwägen, bevor eine Dame als flauschig-hechelnder Vierbeiner bezeichnet wird. Eh es demnächst also blaue Augen regnet, sollten wir das Thema also vielleicht doch weiter differenzieren und mit dem nötigen Ernst betrachten. Denn offenbar gibt es – wie so häufig – auch zu diesem Sachverhalt vielfältige Meinungen und Emotionen.

Aber der Reihe nach …

Woher kommt das Wort „Bitch“ eigentlich?

An dieser Stelle würden vermutlich viele Mittdreißiger und Anhänger des 90er Jahre HipHops den werten Snoop Doggy Dogg als Godfather of bitchtalk ausmachen. Oder Eminem. Oder beide.

Das wäre aber nicht mal die halbe Geschichte.

Sprachwissenschaftler behaupten nämlich, das Wort habe seine Ursprünge im Sanskrit. (Kurzer Reminder: Das ist Altindisch, und wir reden hier von einem Zeitraum mehrere Jahrhunderte vor dem sagenumwobenen Mann, der dem Hörensagen nach übers Wasser lief und sein jähes Ende am Kreuz fand.)

Den Anfang machte angeblich das Wort „bhagas“, das "Genitalien" bedeutet und später seinen Weg ins Lateinische, Französische und Altenglische fand. Dort wurde es für Kreaturen mit entblößten Genitalien verwendet, sprich: Tiere. Später bezog sich das Wort ausschließlich noch auf weibliche Tiere, und innerhalb weniger Jahrhunderte landete man auf wundersame Weise bei weiblichen Hunden.

Ok. Halb einleuchtend und ein bisschen langweilig, oder?

Denn wie kam Bitch denn nun tatsächlich in die Mode und den täglichen Sprachgebrauch?

Nun ja, tatsächlich war es dann eben doch die HipHop-Szene, die dafür sorgte, dass sich „Bitch“ exponentiell verbreitete. Und die Jungs mit den Ketten und Zahnreihen aus Gold bezeichneten mit dem Wort recht zweifelsfrei Frauen mit – nennen wir es – selbstbewusst offener sexueller Haltung, gemischt mit einer Prise Zickigkeit. Frauen, die Männern ein bisschen Angst machen, die es zu dominieren gilt, die am Ende dann gefügig ihre Rückseite durch die entsprechenden Musikvideos schütteln „durften“.

Gleichzeitig haben aber auch Rap-Koryphäen wie Missy Elliot direkt eine positive Umdeutung vorgenommen. So sagte Missy einst: „Eine bitch ist ein selbstbewusstes Mädchen für mich“.

Bäm. Ein cleverer Schachzug, aus der männlich degradierenden Sichtweise zum Gegenangriff überzugehen und quasi ein „Na und?“ entgegenzusetzen. Ein „Na und? Wir stehen da drüber, dass wir sexy oder zickig oder beides sind.“ Oder „Na und? Dann seht ihr uns eben als niederes Begierde-Objekt. Aber macht euch mal bewusst, dass wir euch damit voll im Griff haben.

Und diese Betrachtungsweise ist gar nicht so verkehrt, denn in der Tierwelt verhält es sich tatsächlich häufig so, dass die weiblichen Vierbeiner das Sagen haben. So sind es in Hunde-Rudeln zwar die Rüden, die dominanter auftreten und für externe Angelegenheiten verantwortlich sind. Stichwort Alphamännchen und so. Aber intern haben dann eben doch die Hündinnen das Sagen und die Bitch allein entscheidet, wer es in ihre Gunst schafft.

Macht deutlich, wie zweideutig Bitch eingesetzt und interpretiert werden kann.

Womit wir erneut bei der Ausgangsfrage landen:


Darf man nun Bitch sagen? Wer darf Bitch sagen? Und in welchem Kontext?

Wenn man sich die Faktenlage ansieht, sind die Spielregeln eigentlich ganz einfach.
Liebe Männer: Ihr seid wohl fürs erste per se raus. Eine Frau als Bitch zu titulieren, ist für euch leider inadäquat. Selbst wenn ihr es als Bewunderung für eine Hammerfrau meint, es wertet ab, wenn ihr es sagt. Denn ihr gehört nicht zum Mädels-Rudel. So einfach.

Und Frauen untereinander?
Nun ja, wir erinnern uns an die Sache mit dem angedrohten Fausthieb.

Auch wir sollten also hier und da Vorsicht walten lassen. Wenn wir auf einer Party in eine Gruppe Mädels reinlaufen und mit strahlendem Gesicht ein „Ey yo, bitches?“ zur Begrüßung abfeuern, wird es wohl eine gewisse kollektive Erheiterung, aber auch gemischte Reaktionen in der Truppe geben.

Denn wie die Botschaft ankommt, liegt ja bekanntermaßen immer noch im Ohr des Zuhörers. Gerade Frauen mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein und einer guten Prise Selbstironie werden sich über die Ansprache vermutlich eher freuen und den Spielball aufnehmen. Aber es gibt eben immer auch jene, die sich dadurch auf die Pfote getreten fühlen. Und das gilt es dann eben doch, vorher abzuwägen.

Die gute Nachricht für alle Bitch-Befürworter/Innen: Ausnahmen gibt es dennoch, und zwar für alle. Und das Wort der Stunde ist hier „Beziehungsebene“.

Es kommt am Ende einfach auf den Draht an, den man zueinander hat. Je besser man sich kennt, sich gegenseitig sowieso regelmäßig mit Spitznamen und Sprücheklopfen begegnet oder eine sehr enge freundschaftliche Ebene hat, desto eher kann man sich bitchmäßig durchaus mal rantasten oder durchbeleidigen.

Und Ebene zwei: Der sprachliche Kontext. Denn ja, es macht einen Unterschied, wo und wie wir das Wort einsetzen. Wie wir es intonieren und ob wir es im Spaß oder Ernst anbringen.


Darf man Bitch also tatsächlich nur noch zu engen Freundinnen mit vorheriger Erlaubnis sagen?

Zugegeben, das klingt wirklich langweilig bis spießig. Ein bisschen Reiz und Risiko muss sein, oder? Man könnte sogar sagen: „Na und? Dann polarisiere ich halt oder ziehe im Zweifel ein paar böse Blicke auf mich … so what?“ Nun ja, so einfach ist es dann doch nicht. 

Denn wenn wir mal über den Spaß hinausblicken, den es uns macht, lustig provozieren zu wollen, ist es immer noch höchst subjektiv, ob sich die Empfängerin über den Begriff amüsieren kann oder nicht. Denn manche Frauen fühlen sich schlussendlich nach wie vor diskriminiert, wenn sie mit einer räudigen Hündin verglichen werden. Und bei Diskriminierung hört dann eben doch alles auf. So simpel.

Heißt im Umkehrschluss:

Es braucht tatsächlich eine Bitch-Erlaubnis.

Egal in welcher Mann-Frau oder LGBTQ+-Konstellation.

Und es heißt auch, die eigene Freundin mal zu fragen, ob sie es eigentlich wirklich cool und ok findet, Bitch genannt zu werden. Und darüber eine Grundsatzdiskussion zu führen.

Dieses Ergebnis überrascht mich selbst ein wenig, um ehrlich zu sein. Vor allem, wenn ich rückblickend meine eigene lockere Haltung in der Sache betrachte.

Und es macht mich im Nachhinein fast ein bisschen verlegen, wenn ich daran denke, wie leger und unreflektiert ich bis dato mit dem Wort umgegangen bin.

Muss ich es deshalb aus meinem Wortschatz verbannen?
Aber nein! Denn erstens kann und darf ich mich selbst so bezeichnen, wenn ich es will. Zweitens gibt es durchaus Menschen und Runden, in denen ich weiß, es wird auf die richtigen Ohren treffen. Und drittens gibt auf meinen diversen Playlists genug Lieder, die ich mitsingen oder -rappen darf, um der Befriedigung meiner inneren Bitchvibes freien Lauf zu lassen.

Und damit möchte ich zum Schluss auch die eine heilige Kuh in der Sache definieren, die für mich von der Debatte bitte unangetastet bleiben darf. Und das ist die Musik.

Denn zu einem waschechten HipHop Song gehören die Bitches genauso dazu wie „Shit“, „Fuck“ oder sonstige Schimpfereien, die dem Ärger Luft machen.

Das ist Kunst, die darf das.

Und deshalb gestattet mir bitte die folgende Punchline zum Schluss:

No matter what they think is true
If you´re a bitch is up to you.


READ MORE ABOUT THE USCHIS

USCHIVERSUM: THE USCHI-BLOG


NEUES VON DEN USCHIS

NEWS: INFOS, BUZZ, DIES & DAS


LISTEN TO THE USCHIS

PODCAST: USCHIS AUF DIE OHREN


SHOP THE USCHIS

HABENWOLLEN: USCHI-MUSTHAVES

 
Geile Uschi Kongress

Wer oder was sind die “geilen Uschis”? Das erfährst du HIER!


MEHR VON UND ÜBER JINGSI: