So viel mehr als ein Popstar: Nadja Benaissa

 

Redaktion: Marie Spitznagel

Liebe Uschis, wir wandern jetzt mal gemeinsam ein bisschen durch unsere kollektiven Erinnerungen. Es ist das Jahr 2000, auf den Straßen sieht man Hüftjeans mit herausblitzendem Tanga und Steißbeintattoo (das inzwischen viele andere Spitznamen hat), im Kino spielt Robert DeNiro Ben Stillers Schwiegervater und in den deutschen Charts finden sich kulturelle Perlen wie „Maschendrahtzaun“ von Stefan Raab, „Anton aus Tirol“ von DJ Ötzi oder „Ich vermiss dich wie die Hölle“ von Zlatko aus der ersten Staffel „Big Brother“. Man könnte heute sagen, es war eine einfachere Zeit.

Und dann wurde es Zeit für ein neues kulturelles Phänomen. Eine Revolution der Art, wie wir als Gesellschaft Künstler wahrnehmen würden. Es geschah etwas, das bis heute nachwirkt. Die erste Casting-Show lief im Fernsehen. Popstars im Jahr 2000.

Ich gebe gerne zu, ich habe diese Sendung nur heimlich gesehen, denn ich war mit 17 viel zu cool, um Popmusik zu hören oder Popstars gut zu finden. Mit 39 habe ich mich damit abgefunden, nicht mehr den Coolnessansprüchen meiner Jugend zu genügen, und komme damit ziemlich gut klar. 


Wie dem auch sei – reden wir über Popstars

Die erste Band aus dem deutschen Casting Universum heißt No Angels, die Mädels werden nach den vier Elementen (und „Spirit“, denn es sind ja fünf) gestylt, für jeden Fan ist eine Identifikationsfigur dabei, die deutschen Spice Girls sind geboren. Großer Hype, große Karriere, großer Erfolg.

Dann stürzt sich (natürlich) die deutsche Boulevardpresse auf die Mädels. Und vor allem bei Nadja finden sich „schöne“ tragische Details ihrer Vergangenheit, die genüsslich ausgebreitet werden. Leider finden sich auch diverse Exfreunde bzw. ehemalige Wegbegleiter, die gerne Gelegenheit ergreifen, über sie auszupacken.

Nadja stammt aus einer strengen Familie, mit 14 wird sie von ihren Eltern in eine Kinderpsychiatrie eingewiesen, weil sie von ihnen mit Marihuana erwischt wurde. Das erzählt sie in dem Podcast Danke, gut, Der Podcast über Pop und Psyche”.

Ihr Exfreund spricht öffentlich darüber, dass Nadia mit 16, bevor sie schwanger wurde, drogensüchtig war, auch ihre HIV Erkrankung wird öffentlich gemacht und diskutiert. Es folgt ein ebenso öffentlich beäugter Prozess, wegen Körperverletzung. All diese Dinge, die Nadja erlebt hat, jeder Fehler, jedes schmutzige Detail, werden in der Öffentlichkeit breitgetreten. Kaum vorstellbar, was das mit einem jungen Menschen macht, Nadja war damals Anfang 20.


Reden wir über Nadja

Es zeugt von Nadjas ungeheurer Stärke, dass sie sich von dieser öffentlichen Bloßstellung nicht und nie hat unterkriegen lassen. Sie hat weiter Kunst gemacht, weiter Musik, sich gesellschaftlich engagiert und sich auch kritisch mit ihren eigenen Fehlern auseinandergesetzt. Die traumatischen Erfahrungen, die sie in ihrer frühen Jugend gemacht hat, setzt sie in Kunst um.

Als Mitglied der Musikkombo Sisters Keepers setzt sich Nadja sehr früh, schon 2001, gegen Rassismus und Sexismus ein. Die Gruppe war zunächst eine Untergruppe des Brothers Keepers Verein, einem Zusammenschluss von PoC Künstlern in Deutschland. Auch wenn diese Gruppe nicht mehr wirklich aktiv ist, engagiert sich Nadja weiterhin gegen Rassismus. Im Januar 2021 war sie als Gast in der ARD Satire-Show Browser Ballett und thematisierte dort pointiert Alltagsrassismus. In der Reihe Nenn mich nicht... des Rbb Fernsehen äußerte sie sich gegen die Verwendung rassistischer Sprache im Alltag. 

Auch die anderen öffentlichen Tragödien ihres Lebens wandelt Nadja in Stärke und Engagement um. Sie setzt sich für Repräsentation und Sichtbarkeit von People of Color in der deutschen Gesellschaft und Medienlandschaft ein. Außerdem nutzt sie ihre Bekanntheit, um zur Enttabuisierung von HIV-Erkrankungen und Psychotherapien beizutragen.

Schaut man auf Wikipedia, sieht man eine lange Liste mit Auftritten, die Nadja in den letzten Jahren absolviert hat, um sich für PoC, gegen Diskriminierung und vor allem für Aufklärung über HIV und psychische Krankheiten starkzumachen. Im September 2020 war sie zum Beispiel gemeinsam mit der Drag Queen Barbie Breakout im Podcast Realitäter*innen zu Gast und klärte über das Leben mit HIV auf.

Nebenher ist sie auch immer wieder mit den No Angels auf Tour und ist inzwischen auch ausgebildete Fitnesstrainerin. Auf ihrer Website schreibt sie:

„Sport gehört zu mir und meinem Leben so wie Fische ins Wasser. Körperliche Fitness hilft mir, mit den physischen, aber auch mentalen Anforderungen in meinem Leben zurechtzukommen. Bereits mein ganzes Leben ist Sport mein treuer Begleiter. Durch ihn, Ausprobieren und das Gehen durch Extreme habe ich meine innere Mitte gefunden. Ich reise viel, habe ein Kind, arbeite zu unregelmäßigen Zeiten - dennoch habe ich einen Weg gefunden, mich zu motivieren und gelernt, in meinen Körper, meine Seele und in mich zu investieren. Es geht nicht um übertriebene Perfektion, sondern darum, einen Weg zu finden, der einem langfristig mehr Vitalität, Gesundheit, Zufriedenheit und Selbstbewusstsein gibt und sich selbst glücklich zu machen! Gerade nach einer Schwangerschaft oder einem einschneidenden Erlebnis ist es wichtig, seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren – denn das Leben ist schön!“


Ich finde es beeindruckend, dass Nadja nach allem, was sie erlebt hat, sich diesen positiven Blick auf die Welt bewahren konnte. Meine Hochachtung. Und für alle Leser*innen hier noch ein gepflegter und geliebter Ohrwurm.


Nadja Benaissa ist als Rednerin beim großen GEILE USCHI KONGRESS N°3 am 22.10.2022 dabei!

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Richtig toller Podcast mit Nadja, in der sie ihre bewegte und bewegende Geschichte erzählt, wie sie in ihre Suchtkrankheit hinein geraten und wie sie sich über Jahre hinweg dort wieder heraus gekämpft hat. Absolut empfehlenswert.


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